Dienstag, 8. Februar 2011

Kapitel 1 - Trion

Neuer Lesestoff.
Wanne? Leah? :*
Ja, Kapitel eins ist fertig, dada.
Viel Spaß :)

Eins

In Gedanken bin ich noch bei Antigone und ihrer packenden Geschichte, als ich meine Sachen zusammen packe und die Klasse verlasse.
Tja!“, höre ich meine beste Freundin hinter mir. Ja, sie meint mich. Und ja, ich heiße Tja. Mit langem a. Naja, also eigentlich ist das mein Spitzname. In Wirklichkeit wurde ich von meinen Eltern mit dem dänischen Namen Tjana bestraft. Ja, es ist eine Bestrafung, ich meine, hallo? Der Name ist dänisch. Er bedeutet Engel der Zukunft. Das einzig Gute daran.
Warte auf uns!“ Okay, ich sollte mich nicht beklagen. Mein bester Freund heißt Avigdor. Ist hebräisch und heißt der Beschützer. So jetzt könnte man denken, man kürzt es mit Avi ab. Falsch gedacht. Avi kommt von Abraham und heißt irgendwie so etwas wie Gott ist mein Vater. Also nennen wir ihn Vig. Die dritte im Bunde ist meine beste Freundin. Smeralda. Ja, wie Esmeralda nur ohne E. Ihr Name bedeutet Smaragd und so nennen wir sie auch. Der Name passt zu ihr. Sie hat Smaragdgrüne Augen, die perfekt zu ihren langen blonden Haaren passen. Wie ich finde. Vigs Haare sind dunkelbraun. Sehr dunkelbraun. Sie sind etwas länger und sein Pony fällt ihm zuckersüß über die Augen. Ich liebe die beiden über alles. Und Vig leider noch mehr. Aber es funktioniert nicht mit uns, haben wir alles schon hinter uns. Momentan hat er eine Freundin. Clara. Ein stinknormales Mädchen mit einem stinknormalen Namen. Die Glückliche. Ich hingegen darf und kann ihn nur heimlich lieben. Es würde ihm das Herz zerreißen, wenn er wissen würde, dass ich ihn noch liebe. Und das wäre zu schrecklich. So wie es ist, ist es ganz okay.
Ich drehe mich um und sehe meine Freunde auf mich zukommen.
Du stürmst immer aus der Klasse, als wäre der Teufel persönlich hinter dir her“, sagt Vig vorwurfsvoll und zwinkert mir zu. Ich lächele schwach und schaue ihm kurz in seine wunderschönen dunklen Augen, die von Wärme erfüllt sind. „Stimmt ja auch. Es waren sogar zwei“, erwidere ich und deute auf meine beiden Freunde. Smaragd streckt mir frech die Zunge raus und hakt sich dann bei mir ein.
Leute, noch eine Woche Schule, dann sind wir die ollen Pauker los. Zumindest vorerst“, verkündet sie. Vig, der neben mir geht, verdreht die Augen.
Da ist aber ja jemand ganz schlau. Smaragd, das wissen wir zufälligerweise auch“, sagt er. Smaragd zuckt nur mit den Schultern. Wir verlassen das Schulgebäude und ich kippe fasst aus den Latschen, vor Schreck. Es ist Hochsommer, doch der Himmel ist von dicken Wolken bedeckt. Die Sonne scheint sich hinter ihnen zu verstecken, aber es ist absolut windstill, sodass die Wolken sich kein Stück bewegen.
Was ist das denn?“, sagt Smaragd, genauso erschrocken, wie ich es bin.
Keine Ahnung. Aber irgendwie gefällt mir das nicht. Kommt, wir sollten gehen“, sagt Vig, ganz der Beschützer. Er greift nach meinem Arm, weil ich nur dastehe und den Himmel anstarre. An der Stelle, an der er mich berührt, kribbelt meine Haut und dieses Kribbeln verteilt sich über meinen ganzen Körper. Mein Herz hüpft bei dem Gedanken, Vig einmal gehabt zu haben. Mein Magen verkrampft sich bei dem Gedanken, ihn nie mehr haben zu können.
Ich löse meinen Blick vom Himmel und sehe Vig an. Er lächelt auffordernd und zieht an meinem Arm, als er sich umdrehen und zu Smaragd gehen will. Langsam gebe ich nach und gehe hinter ihm her. Wahrscheinlich sind die schwarzen Wolken nur ein Gewitter, das entweder weiter zieht oder sich hier auslässt, rede ich mir auf dem Weg ein. Wir gehen zu den Bushaltestellen. Überall stehen Schüler, weil heute alle zur selben Zeit aus haben, nur ein Platz in einem einzigen Bushäuschen ist noch frei.
Für Vig, von Clara.
Wir steuern auf den freien Platz zu und Vig setzt sich neben das Mädchen mit den hellbraunen Haaren, das ihn zur Begrüßung küsst. Und etwas zerbricht in mir, wie immer, wenn ich die beiden zusammen sehe. Aber ich lächele Clara freundlich an und sage: „Hi Clara.“ Sie nickt.
Hey, Tjana. Hey Smaragd.“ Smaragd schenkt dem Mädchen ein Lächeln und wendet sich dann mir zu, um von den beiden ab zu lenken. Ich habe ihr nie erzählt, dass ich Vig noch liebe, aber ich habe das Gefühl, sie weiß es. Ihre Menschenkenntnisse sind unschlagbar.
Sie sieht mir prüfend in die Augen.
Alles klar bei dir?“, fragt sie leise. Ich nicke und denke: Abgesehen davon, dass der Junge, den ich liebe eine Freundin hat und sich die beiden mal wieder vor meinen Augen geküsst haben und es mir jedes Mal wieder weh tut, geht es mir bestens. Was sollte schon sein? Dieses Mädchen scheint Gedankenlesen zu können.
Du hasst Clara, oder?“, fragt Smaragd weiter. Ich schlucke. Ich schüttle den Kopf. Smaragd glaubt mir nicht, das weiß ich. Sie nimmt meine Hand und zieht mich ein Stück von Vig und Clara weg.
Mach mir doch nichts vor.“
Ich hasse sie nicht“, sage ich und es ist nicht gelogen. Ich hasse Clara wirklich nicht. Ich liebe Vig nur.
Aber du kannst die beiden nicht zusammen sehen, stimmts?“ Voll ins Schwarze. Ich nicke zögerlich.
Es liegt an Vig“, sagt Smaragd leise. Ich nicke erneut und traue mich nicht, meiner Freundin in die Augen zu schauen. Sie drückt meine Hand.
Du liebst ihn noch“, schließt sie. Erneut ins Schwarze. Mein Herz zieht sich zusammen und ein Kloß aus Tränen bildet sich in meinem Hals. Smaragd nimmt mich in den Arm und ich kann die Tränen nicht mehr zurückhalten.
Sprich mit ihm“, flüstert sie mir ins Ohr.
Nein, das kann ich nicht“, antworte ich.
Warum?“
Er ist gerade so glücklich. Es würde ihm weh tun. Das will ich nicht. Das allerletzte, was ich für ihn will, ist das er unglücklich ist.“ Smaragd löst sich von mir und sieht mir fest in die Augen. „Du bist viel zu selbstlos. Denk mal an dich, Süße“, sagt sie. Ich will gerade etwas erwidern, da höre ich Vigs Stimme hinter mir: „Was ist denn mit euch los?“ Schnell löse ich mich von Smaragd und wische mir die Tränen aus dem Gesicht. Vig kommt mit Clara zu uns.
Hand in Hand.
Und ich muss mich zurück halten, nicht sofort wieder los zu heulen.
Hast du geweint?“, fragt Vig verdutzt, nachdem er mich prüfend angesehen hat. Nein, mein Auge sabbert hätte ich am liebsten sarkastisch erwidert aber sage stattdessen: „Nein, ich hab was im Auge. Ne Wimper oder so.“ Meine Stimme klingt fester als erwartet und ich hoffe, er hat meine Lüge nicht bemerkt. Ich spüre Smaragds besorgten Blick auf mir Ruhen und bin froh, als der Bus kommt. Eigentlich muss Clara mit einem anderen Bus fahren, aber sie fährt mit zu Vig und nimmt deshalb ebenfalls unseren. Wir wohnen alle in einer Straße. Als ich den Fuß hebe, weil ich einsteigen will, stolpere ich und greife reflexartig nach der nächsten Hand, die ich zu fassen kriege. Vigs. Mein Herz überschlägt sich und ich wäre zusammengebrochen, hätte er nicht seine Hand von Carlas genommen, damit um mein Handgelenk gegriffen und mich hochgezogen. Er lächelt mich an und ich habe großes Verlangen ihn zu küssen. Noch einmal das Gefühl von seinen Lippen auf meinen, seine Hände an meiner Wange oder an meiner Hüfte. Von einem durchdrehendem Herzen, ohne das es schmerzt. Alles Wunschdenken. Und das schon seit zwei Monaten. Da hatte er nach über einem Monat Schluss gemacht. Fast vier Wochen ist er jetzt mit Clara zusammen.
Ich lächele zurück. Vig drückt meine Hand, was sich wunderschön und gleichzeitig einfach nur schrecklich anfühlt, lässt mich dann los und ich betrete den Bus. Diesmal ohne Stolpern. Ich setze mich auf einen freien Platz, so dass ich Vig und Clara nicht sehen kann. Smaragd ist nichts entgangen, das spüre ich, als sie sich neben mich auf den Sitz setzt.
Du solltest wirklich mit ihm reden. Du machst dich kaputt, das kann nicht ewig so weiter gehen“, sagte sie sanft und mit gesengter Stimme. Ich schüttele wieder den Kopf.
Nein, es geht einfach nicht. Gehe ich halt kaputt, so lange er glücklich ist.“
Es wird ihn nicht glücklich machen, wenn er erfährt, was mit dir los ist.“
Dann erfährt er es eben nicht“, sage ich und hoffe, dass das Thema so abgeschlossen ist. Smaragd seufzt tief, aber schweigt. „Kommst du heute mit auf die Party?“, fragt sie nach einiger Zeit.
Wann? Wo?“, frage ich nach.
Fängt um sieben an. In diesem neuen Klub, der aufgemacht hat.“
Ja, denke schon.“ Wir schweigen, bis wir schließlich aussteigen müssen. Ich gehe mit Smaragd in die eine Richtung und Vig mit Clara in die andere.
Kommt sie auch?“, frage ich, als ich mir sicher bin, dass die beiden uns nicht mehr hören können.
Wer, Clara? Nein, sie kann nicht. Irgendwas mit ihrer Familie oder so“, antwortet Smaragd und ich habe schon gleich viel mehr Lust auf Feiern. Ich nicke.
Willst du mit zu mir?“, frage ich.
Ja, bei mir ist eh keiner.“ Nach ein paar Minuten sind wir bei mir und ich schließe die Tür auf. Zuerst gehen wir in die Küche. Auf dem Tisch liegt ein Zettel von meiner Tante Nine. Ich wohne bei ihr und meinem Onkel Andi, weil meine Eltern beide unfähig sind ein einziges Kind zu erziehen. Sie kommen nicht einmal mit sich selbst klar und waren mit mir einfach überfordert. Ich lebe schon bei meiner Tante seit ich vier bin. Aber ich habe einmal meine Eltern besucht, weil ich mich nicht mehr an sie erinnern konnte und bin nach einer halben Stunde wieder gegangen. In der Wohnung sah es aus, als würde dort ganzjähriger Sperrmüll herrschen und meine Mutter hat sich eine Kippe nach der anderen angesteckt. Sie hatte schrecklich ausgesehen. Ihr blondes Haar war matt gewesen und hatte einfach nur von ihrem Kopf gehangen. Sie war Mager und ihre Augen getrübt gewesen. Mein Vater hatte geschlafen. Das Schnarchen hatte man bis in die Küche gehört. Ich hatte schon damals entschieden, nichts mit diesen Menschen, die sich meine Eltern nannten, zu tun haben zu wollen. So ist es am besten, denn es war zwölf Jahre lang nicht anders gewesen.
Meine Tante ist gerade bei ner Freundin und heute Abend mit meinem Onkel weg. Ich soll mir was zu Essen machen“, verkünde ich, nachdem ich den Zettel gelesen habe. Mein Onkel und meine Tante sind keine besonders guten Ersatz-Eltern aber sie geben ihr Bestes und für mich sind sie eben Onkel und Tante und nicht Vater und Mutter.
Und was machen wir uns?“, fragte Smaragd und reißt mich aus meinen Gedanken.
Pizza?“, schlage ich vor. „Wir haben noch welche in der Tiefkühltruhe.“ Smaragd nickt einverstanden. Also schieben wir uns zwei Pizzen in den Backofen und setzen uns ins Wohnzimmer.
Ich glaube wirklich, du solltest mit Vig reden, Tja“, sagt Smaragd und ich verziehe meinen Mund.
Ich hab dir doch schon gesagt, dass das nicht geht. Ich kann das einfach nicht“, erwidere ich. Zum Glück ertönt ein Klingeln aus der Küche. Die Pizza ist fertig. Schnell stehe ich auf und hoffe, dass Smaragd mir nicht folgt, damit wir nicht weiter über Vig reden konnten. Ich nehme die Pizzen aus dem Ofen, lege sie auf zwei Teller und gehe mit einem Pizza-Messer zurück ins Wohnzimmer. Mit einem „Danke.“ nimmt Smaragd mir einen Teller ab.
Du kannst doch heute Abend gut mit ihm reden“, sagt Smaragd, während wir essen. Ich hätte mich fast an meiner Pizza verschluckt.
Smaragd!“, fahre ich meine Freundin an.
Ich mein ja nur“, wehrt sie sich und wir essen schweigend weiter. Als wir fertig sind, räumen wir die Teller in die Spülmaschine und gehen mit unseren Schulsachen in mein Zimmer im Keller. Es ist riesig und es stehen ein Bett, ein riesiger Kleiderschrank, ein Schreibtisch, Regale, ein Fernseher und eine Kommode darin. Ich schmeiße meine Tasche auf meine Bett und Smaragd ihre davor.
Was brauchen wir alles bis Montag?“, frage ich und lege mich auf den großen, weichen Teppich, der in der Mitte meines Zimmers liegt.
Ähm, Chemie, Bio, Mathe und Musik“, antwortet Smaragd nachdem sie kurz überlegt hatte. Ich nicke.
Mathe und Bio habe ich im Unterricht schon fertig gemacht, abschreiben?“, frage ich.
Ja.“ Smaragd wirft mir meine Tasche zu und ich krame mein Matheheft und meinen Bio-Ordner heraus.
Hier.“
Danke.“
Kann ich den Fernseher an machen?“
Ja, mach ruhig.“ Ich stehe au f und schalte meinen Fernseher an. Schnell zappe ich durchs Programm und schalte dann auf einen Musiksender. Smaragd setzt sich an meinen Schreibtisch und schreibt schnell meine Hausaufgaben ab. Wir beide haben fast jeden Kurs zusammen, was ziemlich praktisch ist. Nachdem Smaragd Mathe und Bio abgeschrieben hat, machen wir zusammen Chemie und Musik. Nach ungefähr einer Stunde sind wir dann fertig.
Komm, wir gucken mal, was du heute Abend anziehst“, sagt Smaragd und räumt schnell ihre Sachen in ihre Tasche. Dann geht sie zu meinem Kleiderschrank und öffnet ihn. Darin befinden sich, entweder ordentlich gefaltet oder auf Bügel gehängte, Hosen, Kleider, Röcke, lang- und kurzärmlige Oberteile und Unterwäsche. Nine räumt immer bei mir auf, wenn sie nichts besseres zu tun hat, sonst wäre dieser riesen Schrank ein einziges Chaos. Smaragd mustert meine Klamotten und tippt sich dabei mit dem Zeigefinger an ihre Kehle. Dann greift sie nach einem blauen Kleid und gibt es mir. Und so passiert es, dass ich nach einer guten Viertelstunde da stehe, beladen mit Kleidern, Hosen und Oberteilen.
Na los! Anprobieren!“, seufzt meine Freundin und unter ihrem prüfendem Blick probiere ich ein Outfit nach dem anderen an. Schließlich entschieden wir uns für eine schwarze Strumpfhose, mit Muster, eine dunkle Jeans Hot Pants, ein enges graues Top und ein weißes, großes und langes T-Shirt. Dazu sucht Smaragd mir eine lange Kette und ein Paar Armreifen heraus.
Setzen!“, befiehlt sie und ich lasse mich auf dem Stuhl vor meiner Kommode nieder. Ich betrachte mich im Spiegel und meine langen, braunen Haare, die mir in großen Wellen über die Schultern fallen. Meine beste Freundin taucht hinter mir auf. Bewaffnet mit Haargummis, Haarspray, einer Bürste und Haarspangen. Sie legt alles, bis auf die Bürste, ab und beginnt meine Haare zu bürsten.Sie bürstet den größten Teil nach hinten, sodass ein paar lange Strähnen vorne bleiben. Sie bindet meine Haare zu einem Zopf zusammen. Zuerst streng und hoch. Dann locker und tief. Und schließlich wählt sie einen seitlichen, lockeren Zopf, den sie verdammt gut hinbekommt. Ich lächle mein Spiegelbild an.
Gut?“, fragt Smaragd. Ich nicke.
Gut, danke.“
Komm, schnapp dir deine Schminke und schicke Schuhe und dann gehen wir zu mir“, fordert sie mich auf. Ich packe Puder, Mascara und Lipgloss in eine schwarze Handtasche und entscheide mich für Stiefeletten, die mir bis zum Knöchel gehen und etwas Absatz haben. Oben im Flur nehme ich mir meine Jacke und schreibe meiner Tante einen informierenden Zettel, den ich neben ihren lege. Dann gehen Smaragd und ich aus dem Haus und die Straße entlang zu ihr nach Hause. Sie weiß relativ schnell, was sie anzieht: Ein eng anliegendes, trägerloses, dunkelgrünes Kleid, eine schwarze Wollstrumpfhose und dazu High-Heels. Ihre Haare lässt sie offen und sorgt lediglich dafür, dass sie gut fallen. Dann stehen wir gemeinsam vor ihrem Spiegel und schminken uns.
Mach nichts Dummes, okay?“, fragt meine Freundin während sie sich Lipgloss aufträgt. Ich brumme nur. Bei mir passieren Dinge oft, was heißt oft, so gut wie immer, ohne, dass ich etwas dafür oder sie voraussehen kann. Und dann stecke ich für gewöhnlich im Schlamassel. Also verspreche ich Smaragd lieber nichts, was ich bereuen oder nicht halten kann. Wir machen uns auf den Weg in die Stadt und meine ganz gute Laune sackt in den Keller, als ich die Schlange sehe. Mindestens zwei Dutzend Menschen stehen vor dem Klub und wollen rein. Smaragd und ich stellen uns hinten an und ich erleide fast einen Herzinfarkt, als mir jemand von hinten die Arme um den Bauch legt. Ich weiß sofort, wer es ist und mein Herz springt unsanft in meiner Brust umher.
Hab ich dich erschreckt?“, er nimmt seine Arme langsam zurück, so dass seine Fingerkuppen über meinen Bauch und meine Hüfte streifen und umarmt Smaragd zur Begrüßung. „Nein, ich zucke einfach nur so zusammen, wenn du mich von hinten angreifst“, antworte ich Vig ironisch und ein bisschen schärfer als gewollt.
Tut mir leid, das nächste Mal werde ich klingeln“, versprach er kleinlaut, wie ein kleiner Junge, der gerade mit seinem Fahrrad fast eine ältere Frau umgefahren hätte. Ich schnaube. Nach einiger Zeit können wir endlich rein. Drinnen ist das erste was ich sehe, ein Mädchen, dass uns, oder besser gesagt Smaragd, hysterisch zuwinkt. Wir gehen auf sie zu.
Hey Lisa!“, begrüßt Smaragd sie. Achja, jetzt fällt es mir wieder ein. Lisa war kurz in unserer Parallelklasse gewesen und hatte dann die Schule gewechselt. Keine Ahnung, warum.
Hey. Tjana, Vig“, nickt uns Lisa zu. Ich nicke lächelnd zurück. Als Smaragds und mein Lieblingslied läuft, rennen wir auf die Tanzfläche und tanzen und lachen, was das Zeug hält. Währenddessen sehe ich Vig, wie er mit tausenden hübschen Mädchen redet, was mich rasend macht, vor Eifersucht. Aber ich schiebe das erstmal zur Seite und genieße den Spaß, den Smaragd und ich haben. Nach ein paar weiteren Liedern zeiht mich meine Freundin von der Tanzfläche, weil sie jemanden gesehen hat, den sie kennt. Aber das heißt nichts. Smaragd kennt eine Menge Leute. Vorerst lasse ich das über mich ergehen aber irgendwann habe ich Durst und ich frage Smaragd, ob sie mit mir an die Bar kommt. Sie schüttelt, total ins Gespräch vertieft, den Kopf und ich drehe mich mit einem Seufzer um, um mich nach der Bar umzusehen. Dabei entdecke ich Vig, der alleine, ja, ALLEINE, auf einem Sofa sitzt und ich beschließe, ihn zu fragen. Also, ob er mit mir geht. Also zur Bar.
Hey, kommst du mit, was trinken?“, frage ich mit lauter Stimme. Die Musik ist ohrenbetäubend. Vig schüttelt den Kopf und deutet auf das Glas, das vor ihm steht.
Also gehe ich alleine an die Bar. Ich schaue, was es alles gibt und aus irgendeinem Grund, bestelle ich einen Cocktail. Eigentlich bin ich nicht der große Alkoholfan, aber ich nehme die Bestellung nicht zurück. Wenigstens hatte ich einen mit wenig Alkohol bestellt. Der junge Mann hinter der Bar schiebt ihn mir hin, ohne nach meinem Alter zu fragen. Ich kippe den Cocktail herunter. Und danach noch einen. Und noch einen. Und noch einen. Bald fühle ich mich leicht beschwipst und bin irgendwie zufrieden. Ich gehe, etwas wackelig auf den Beinen, zurück zu dem Platz, an dem Vig saß. Ich setze mich neben ihn und lächele ihn blöd an. Scheiß Alkohol.
Hast du getrunken?“, fragt er verwundert. Ich nicke.
Nicht viel“, antworte ich.
Warum?“, fragt Vig weiter. Anstatt ihm zu antworten beuge ich mich zu ihm und drücke meine Lippen auf seine. Ich spüre, wie perplex er ist. Es überkommt mich einfach so. Und wieder verfluche ich den Alkohol. Gerade als ich genug mit mir gerungen habe, will ich mich von Vig lösen, da öffnet er seine Lippen zögernd und erwidert so meinen Kuss. Er legt seine Hände um meine Hüfte und lehnt sich nach hinten. Jetzt liege ich fast auf ihm drauf und mein Herz überschlägt sich. Der Kuss ist für eine Weile wunderschön und wird immer leidenschaftlicher, in der Zeit bin ich dem Alkohol etwas dankbar, aber nur, bis es sich so anfühlt, als wäre ich auf einmal wieder nüchtern. Ich lasse schnell von Vig ab. Er schaut mich schwer atmend an. Mir wird die Sache unangenehm und ich springe mit einem entschuldigenden Blick auf und renne weg. An Smaragd vorbei und raus an die frische Luft. Ich atme die kühle Luft ein und sie füllt meine Lungen. Ich lasse mich an der Hauswand auf den Boden sinken und vergrabe mein Gesicht in meinen Händen.
Es ist schrecklich! Ich hatte Vig geküsst! Und noch viel schrecklicher war, dass er den Kuss erwidert hatte. Und als wäre das alles nicht schlimm genug, kommt noch dazu, dass es sich verdammt richtig angefühlt hatte. Mein Herz schlägt immer noch wie verrückt. Ich will weinen aber es geht nicht. Ich rieche den Alkohol in meinem Atem.
Widerlich.
So hatte er mich geküsst. Die Tür des Klubs öffnet sich und jemand setzt sich neben mich. Ich weiß wer es ist, will es aber gar nicht wissen.
Tja?“, fragt Vig mit zitternder Stimme. Ich drehe meinen Kopf, sodass ihm mein Hinterkopf zugewandt ist.
Geh einfach“, sage ich mit erstickter Stimme. Ich zucke zusammen, als Vig mir seine Hand auf den Rücken legt.
Geh“, wiederhole ich. Aber er geht nicht. Mir schwirrt eine Frage im Kopf herum. Nur eine.
Warum hast du das gemacht?“, spreche ich sie aus.
Was ICH gemacht habe? Entschuldige mal, aber DU hast MICH geküsst“, antwortet Vig ruhig. Ich schüttle den Kopf und drehe mein Gesicht in seine Richtung.
Warum hast du mich nicht weg geschubst, um dich geschlagen, verhindert, dass es passiert?“, frage ich. Ich bin wieder nüchtern.
Komplett.
Zumindest fühle ich mich so. So ernüchtert. Der Gestank von Alkohol widert mich an und ich krame in meiner Hosentasche nach einem Kaugummi. Ich finde keinen und atme schwer aus, als Vig mir einen vor die Nase hält. Ich nehme ihn, wickle das Papier ab und schiebe ihn mir in den Mund. Vig beobachtet mich. Mir fällt wieder ein, was ich gefragt hatte und ich sehe ihn auffordernd an.
Warum ich es hab passieren lassen? Weil ich WOLLTE, dass es passiert. Ich wollte es genau wie du, Tja.“ Vig sieht mich eindringlich an und spricht mit gesengter Stimme, was ihn noch heißer macht, als er eh schon ist. Mein Magen verkrampft sich, als hätte diese Antwort ihn getreten. Dann packt mich schmerzende Wut und ich springe auf.
Wenn ich dich daran erinnern dürfte, warst DU derjenige, der Schluss gemacht hat und jetzt mit einer anderen zusammen ist. Und jetzt kommst du damit an? Ich bitte dich, was soll das werden? Ich hab die Kontrolle verloren, weil ich dich die ganze Zeit über geliebt habe und es in dieser Sekunde noch tue! Und du ziehst dir ne andere an Bord, damit ich euch beim Knutschen zusehen kann. Jetzt kommst du an und sagst, dass du den Kuss auch wolltest? Um was zu tun? Wieder einen Monat mit mir zu gehen, Schluss zu machen, weil es mit uns nicht funktioniert und dir dann wieder die Nächste zu schnappen?!“, schreie ich Vig an. Alles in mir kommt hoch und ich habe keinerlei Kontrolle darüber. Meine Haut brennt wie Feuer.
Tja, lass mich doch erklären!“, sagt Vig und steht auf. Er Packt mich an den Schultern und zieht die Hände sofort wieder zurück, als habe er sich verbrannt.
Du bist ja glühend heiß. Hast du Fieber? Komm, ich bring dich nach Hause“ Widerwillig stimme ich ihm zu. Ich fühle mich nicht gut. Mir ist verdammt warm und schwindelig. Ich gehe neben Vig die Straße entlang und es weht kühler Wind, was unglaublich gut tut. Zwischen Vig und mir ist so viel Platz, als würden zwei Hunde zwischen uns laufen.
Lässt du mich erklären?“, fragt er leise. Ich schnaube.
Keine Ahnung, was du erklären willst, aber schieß los!“, erwidere ich scharf.
Ich hab Schluss gemacht, weil ich das Gefühl hatte, es hat sich für dich nicht richtig angefühlt.“
Es hat sich so angefühlt, als wäre es das Richtigste, was ich jemals getan habe.“
Scheiße. Aber du warst so komisch. Nicht glücklich.“
Ich weiß. Irgendetwas war mit mir los. Ich hatte so ein ungutes Gefühl. Aber das hatte nichts mit dir, mit uns, zu tun. Mit irgendetwas Anderem.“
Ich Idiot. Es war nichts weiter als ein riesen Missverständnis?!“
Das erklärt, warum du Schluss gemacht hast. Und Clara? War sie etwas auch ein Missverständnis?“, sage ich, die letzten Worte spöttisch betont. Vig schüttelt den Kopf und sieht zu Boden.
Sie hat sich in mich verliebt und ich hab mir eingeredet, ich würde sie auch lieben.“
Du warst so glücklich“, sage ich atemlos.
Weißt du, sich etwas einreden, kann sehr überzeugend sein und schließlich sogar wahr.“
Also liebst du sie jetzt?“ Vig schüttelt erneut den Kopf.
Nein, auf jeden Fall nicht mehr nachdem, was passiert ist.“ Ich weiß nicht was ich sagen soll, also halte ich einfach den Mund. Und Vig auch. Den ganzen Weg nach Hause schweigen wir uns an. Vor meiner Haustür stehend krame ich den Schlüssel aus meiner Tasche und öffne die Tür.
Danke fürs Nachhausebringen“, sage ich während ich mich zu Vig umdrehe und mich an den Türrahmen lehne.
Kein Problem. Wann sehen wir uns?“
Spätestens Montag. Lass mir Zeit.“
So viel, wie du brauchst. Schlaf gut“, flüstert Vig und dreht sich um.
Du auch“, erwidere ich und schließe die Tür hinter mir. Ich gehe zum Küchentisch und schlage mit der geballten Faust auf die Kante. Langsam gehe ich ins Bad und dusche eiskalt, damit der Alkohol sich verzieht. Danach spüle ich mir den Mund aus, weil das Kaugummi nicht wirklich hilft. Es ist noch nicht allzu spät und Nine und Andi sind noch weg. Ich gehe die Treppe herunter in mein Zimmer und lasse mich auf mein Bett fallen. Ich fühle mich so müde, als hätte ich drei Tage nicht geschlafen und bin gerade dabei in meine Traumwelt zu wandern, da klingelt mein Handy.
Tja! Gehts dir gut? Was ist passiert? Du musst mir alles erzählen! Du solltest doch nichts Dummes machen!“
Smaragd, tut mir leid, aber ich bin todmüde. Kann ich es dir morgen erzählen? Bitte?“ Smaragd überlegt lange und ich schlafe schon fast wieder, als sie sagt: „Na gut. Bis morgen, schlaf gut. Ich liebe dich.“ und auflegt.
Dann schlafe ich ganz ein.

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